Evaluationen

Musik zum Anfassen wurde in Österreich 2002 und 2009 evaluiert.

Wissenschaftl. Evaluation 2009

Evaluation der Projektes „Oper zum Anfassen – The Rake im Theater an der Wien“ durch Befragung der SchülerInnen der HS/kooperativen Mittelschule „Am Schöpfwerk“ 1120 Wien

Wissenschaftliche Leitung: Univ.Ass. Dr. Michael Huber – Institut für Musiksoziologie der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien

1.Befragung vor dem Beginn des Projektes am 16.9.08

2.Befragung direkt nach dem Projekt am 20.11.08

3.Befragung ein Jahr nach dem Projekt am 30.11.09



Veröffentlichng der ersten Vorergebnisse nach der 2.Befragung

in Üben & Musizieren – Fachzeitschrift für Instrumentalpädagogik und musikalisches Lernen (Schott Music)
27.Jahrgang -1/ Februar – März 2010, S. 52-56
„Oper zum Anfassen“
Ein sozial- und musikpädagogisches Projekt im Theater an der Wien

Wissenschaftl. Evaluation 2002

Evaluation des Pilotprojektes „Musik zum Anfassen“ 2002

MODELLVERSUCH:
„Musik zum Anfassen“ an österreichischen Volksschulen
(Projektleitung: Mag. Dietmar Flosdorf)

Bericht über die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung
erstellt von
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Institut für Musikpädagogik
Arbeitsbereich Instrumentalpädagogik
o. Univ.-Prof. Dr. Peter Röbke
Univ.-Ass. Dr. Beate Hennenberg

Wien, im Juli 2002

1. MUSIK ZUM ANFASSEN – eine Synthese musikpädagogischer Ansätze
Einführende Bemerkungen:

Die musikpädagogische Landschaft ist im Umbruch. Während zunehmend deutlich wird, dass die „Kunstfächer“ in der allgemein bildenden Schule vermutlich nur dann eine Überlebenschance haben, wenn sie konkrete künstlerische Erfahrungen anbieten und deshalb den Kontakt zu künstlerischer Praxis außerhalb der Schule suchen müssen(2), entstehen gleichzeitig auch Initiativen, bei denen „professionals“, also aktive Musiker(3), Schauspieler oder bildende Künstler, oft im engen Kontakt mit Lehrern, Musikvermittlung auf neuen Wegen betreiben. Im Idealfall entsteht quasi eine „Win-win-win“-Situation: Schüler werden durch den Kontakt mit faszinierenden Musikern zu eigener Aktivität angeregt, Lehrer erfahren Inspiration durch unkonventionelle Vermittlungswege, Profi-Musiker lernen das Publikum der Zukunft aus der Nähe kennen, ja arbeiten daran, überhaupt ein Publikum für den darbenden E-Musik-Betrieb zu schaffen, und erleben zudem eine Bereicherung ihres künstlerischen Profils und Selbstverständnisses durch Vermittlungsaktivitäten. In diesem Kontext steht die Durchführung des von Dietmar Flosdorf entwickelten Konzeptes von Musik zum Anfassen in drei Wiener und zwei niederösterreichischen Volksschulen, das vom Arbeitsbereich Instrumental- und Gesangspädagogik des Institutes für Musikpädagogik (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) wissenschaftlich begleitet wurde.
[…]
Das Konzept von Musik zum Anfassen versucht die Synthese der skizzierten Bemühungen: Natürlich sollen die beteiligten Streichquartett- und Bläserquintett-Spieler oder auch die Jazz-Musiker ihre musikalischen Qualitäten ausspielen und die Reaktionen der Schüler waren entsprechend: mit offenen Ohren und leuchtenden Augen, gebannt von der Virtuosität, fasziniert vom Klang sitzen sie da und verlangen ein Da Capo: „Bitte spielt doch den Mozart noch einmal!“ Und mehr noch: Es entsteht ein Verlangen, diese Werkzeuge, mit denen man herrliche Musik machen kann und die auf kuriose Weise bedient werden, selbst in die Hand oder den Mund zu bekommen und selbstverständlich befriedigen die an Musik zum Anfassen Beteiligten, dem Titel der Reihe gemäß auf geduldige Weise dieses Bedürfnis, d.h. dem Ausprobieren verschiedenster Instrumente wird breiter Raum gelassen. Aber gleichzeitig werden auch Brücken zum aktiven Tun der Schüler geschlagen. Nicht nur dass Beziehungen hergestellt werden zwischen instrumentalen Spielweisen und Aktionen mit Stimme, Körper, alltäglichen Gerätschaften und selbst gebastelten Instrumenten: Aus der Erforschung der Klangmöglichkeiten heraus entstehen musikalische Verläufe, wird das Klangexperiment zur Form, wird im vierten und fünften Workshop ein kohärentes, sinnvolles und präsentierbares Stück entwickelt (quasi nebenbei werden die Schüler mit Formen und Problemen der musikalischen Notation konfrontiert). Dieser Prozess wird getragen von einem musikpädagogischen Konzept, das hier gleichsam als dritter und Musik zum Anfassen besonders kennzeichnender Faktor ins Spiel kommt: Sowohl die Auswahl der Instrumente wie die konkreten Arbeitsschritte der musikalischen Forschungsreise folgen der Idee, fundamentale Einsichten in das, was Musik ausmacht, zu ermöglichen, dass nämlich Klang aus der Stille heraus entsteht (1. Workshop ) und dass er tief gehende emotionale Wirkungen hat (2. Workshop), dafür aber der Formung (3. Workshop ) bedarf. Sehr überzeugend ist es auch, dass man dafür sich der Mithilfe von Künstlern aus angrenzenden Bereichen versichert: ein Pantomime verkörpert die theatralischen Impulse von Musik, eine Step-Tänzerin lebt die Freuden rhythmischer Regelmäßigkeit aus. So ist MzA ein außerordentlich ambitioniertes und komplexes Konzept und die diesem Konzept folgende Arbeit von hoher Dichte und Intensität.

[…]

6. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Das Konzept von Musik zum Anfassen stellt eine vorbildliche Verbindung von traditionellen musikpädagogischen Überlegungen und neueren Ansätzen der Musikvermittlung durch professionelle Musiker dar.

Musik zum Anfassen gelingt in modellhafter Weise die Verbindung von Workshop und Konzert, die Verschränkung von kreativen eigentätigen Prozessen und intensivem und hingegebenem Zuhören.

In der akademischen Forschung und Lehre zum Thema „Musikvermittlung auf neuen Wegen“ sollte das Konzept von MzA Anstoß für ähnlich kohärente Vorhaben sein, Vorbild für die Entwicklung neuer Konzepte ähnlicher Dichte durch Konzertfach- und Musikpädagogikstudenten bzw. in der Weiterbildung von Orchester- und Kammermusikem.

Bei zukünftigen Realisationen sollten die beteiligten Musiker noch nachhaltiger in das Konzept und seine Begründungszusammenhänge eingeführt werden.

Musik zum Anfassen wird professionell geleitet, stringent durchgeführt und zielorientiert moderiert, vorstellbar ist aber auch eine Ausweitung der Moderatoren- und Leitungsfunktionen, was wiederum Fragen der „handwerklichen“ Seite der Gruppenführung und der Konzertmoderation auf die Tagesordnung setzen würde.

MzA fordert und begünstigt offensichtlich einen speziellen Musikertypus, den Typ des konzertierenden Musikers, der die Kommunikation mit seinem Publikum nicht scheut und flexibel reagieren kann, der traditionell musiziert, aber auch zur Improvisation befähigt ist, der Musizieren grundsätzlich als Vermittlungsaufgabe ansieht und auch bereit ist, in neuen Formen und an unüblichen Orten zu agieren, der in besonderer Weise der Musik Klang und Körper verleiht und mit seinen Mitspielem interagiert. MzA trägt somit zur Konturierung eines Musiker-Leitbildes bei, das angesichts der musikkulturellen Situation besonders zukunftsträchtig ist. Die Wirksamkeit des beschriebenen Potenzials der beteiligten professionellen Musiker könnte durch eine Intensivierung der Kommunikation mit den Lehrkräften der beteiligten Klassen noch besser entfaltet werden. Denkbar wäre etwa eine gemeinsame Einführungsveranstaltung mit allen beteiligten Lehrkräften und Musikern.

Hinsichtlich einzelner Aspekte der Projektdurchführung (z.B. Instrumentenvorstellung) wird bei MzA auch ein musikpädagogischer Weiterbildungsbedarf deutlich.

Es ist begrüßenswert, dass MzA auch von dem Gedanken durchzogen ist, Kinder zu eigenen Klanggestaltungen zu bewegen und diese in ein aufführbares Stück münden zu lassen; die Verknüpfung mit den Schulgegenständen Deutsch und Bildende Kunst ist ebenso begrüßenswert wie der jeweilige Bezug auf die kindlichen Lebenswelten.

[…]

Das Institut für Musikpädagogik an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien hat aus den vorgenannten Überlegungen heraus ein außerordentliches Interesse daran, Musik zum Anfassen als Untersuchungsgegenstand und als mögliches Praxisfeld zu erhalten: Wir würden uns wünschen, mit unseren Studierenden bei zukünftigen Realisationen nicht nur als Beobachter, sondem auch als aktiv Mitwirkende beteiligt zu sein.

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1 Die Kapitel 1, 2, 4 und 6 wurden von Peter Röbke verfasst, Kapitel 2 und 5 von Beate Hennenberg
2 Vergl. Peter Röbke: Qualität und Kontinuität musikalischer Bildungsprozesse in Schule und Musikschule, in: Josef Rauth (Hrsg.): Steiermark Musikerziehung. Kooperation Musikschule und allgemein bildende Schule, Graz 2001, S. 29 & 32
3 Die Tatsache berücksichtigend, dass in deutschen Sprache „Genus“ nicht „Sexus“ ist, wird im Folgenden aus Gründen der Vereinfachung die männliche Schreibweise verwendet, die selbstverständlich reale männliche und weibliche Personen meint.

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