Text Programmheft:
Oper zum Anfassen ist ein Musikvermittlungskonzept, das durch eigenes schöpferisches Agieren ein Verständnis und einen Zugang zur Kunstform „Oper“ schafft. „Oper zum Anfassen – Rake im Theater an der Wien“ wurde mit und für vier Zielgruppen bzw. Alterstufen durchgeführt:
HS/MittelschülerInnen, AHS-SchülerInnen, Studierende der Wiener Kunst- und Musikuniversitäten und Strafgefangene (Klienten der Drogentherapiestation Schweizer Haus Hadersdorf und ehemaligen Insassen der Justizanstalt Favoriten).
Im Mittelpunkt des Projektes stand die Oper „The Rake´s Progress“ von Igor Strawinski und die direkte Begegnungen mit den an einer Opernproduktion beteiligten Künstlern (Musiker / Sänger / bildende Künstler). Zusätzlich und damit korrespondierend gab es für die Beteiligten die Möglichkeit durch einen ausführlichen Besuch des „Theater an der Wien“ einen Blick hinter die Kulissen des Opernhauses „Theater an der Wien“ zu werfen bzw. durch Probenbesuch und Künstlergespräch die Einstudierung dieser Oper mitzuverfolgen.
Zentrales Anliegen des Projektteils mit den HS/MittelschülerInnen der Siedlung „Am Schöpfwerk“ war die eigene künstlerische Arbeit und Auseinandersetzung mit dem Titelhelden der Oper „Tom Rakewell“ und seinem Schicksal. In dialogischen, experimentellen Workshops wurden – unter professioneller Anleitung gemeinsam mit den Studierenden der Kunst- und Musikuniversitäten – eigene Zugänge zu dieser Oper erarbeitet.
Die Workshopreihen der beteiligten Schulklassen eröffneten die drei Hauptrollen der Oper – „Rake“, „Anne“ und „Shadow“ – indem sie den SchülerInnen jeweils eine sie besonders kennzeichnende Arie vortrugen. Aufgabe der SchülerInnen war es, den jeweiligen Charakter und die durch die Musik Strawinski´s zu hörende Befindlichkeit zu erspüren und zu benennen. In Kleingruppen aufgeteilt konnten sie dann Ihre eigenen Ideen für das jeweilige Kostüm, Maske, Licht und Bewegungsanweisungen mit den Sängern und Workshopleitern diskutieren, direkt umsetzen und abschließend den anderen präsentieren.
Thematischer Leitgedanke der weiteren gemeinsamen Arbeit waren „Versuchungen“, denen sich Jugendliche als Teil ihrer persönlichen Identitätssuche immer wieder neu stellen müssen. Ausgangs- bzw. Bezugspunkt in den künstlerischen Auseinandersetzungen war „Rake“ und sein Umgang mit den verführenden Angeboten von „Shadow“.
Die Inhalte der Workshopreihen wurden dann unterschiedlich aufgeteilt: zwei Klassen übernahmen das szenische Spiel und gestalteten Kostüme und Requisiten. Inspirationsgrundlage waren hier optische „Versuchungen“, Gegenstände oder Fotos aus Zeitungen oder Magazinen, die gesammelt, im Unterricht reflektiert und zu Collagen zusammengestellt wurden. Ausgewählte Beispiele bildeten die Grundlage für die kreative Arbeit im Kostüm- und Requisitenbau sowie für die Erstellung eigener Choreografien.
Die Arbeit der beiden Musik- und Kompositionsklassen setzte ebenso unterschiedliche Schwerpunkte. Eine Klasse sammelte Klänge der Verführung in Form von Werbemelodien, -slogans oder Lieblingssongs. Dadurch angeregt wurde gemeinsam experimentiert und erarbeitet, wie mit der eigenen Stimme Begriffe der Versuchung entsprechend sprach- und stimmlich gestaltbar sind. Auf Band aufgenommen konnten die Teilnehmer mit einem – eigens für diesen Zweck kindgerecht erstellten – Computerprogramm die gesammelten Klangmaterialien selbst am PC verfremden und kompositorisch zu einer neuen eigenen „Komposition“ arrangieren. Die andere Klasse erfand Raptexte, die die Randalierer- und Hurenchöre der Oper durch eigene Textinhalte und Sprechrhythmen sowie Musik ergänzen bzw. ersetzen sollten.
Die Präsentation im „Theater an der Wien“ gewährt einen Einblick auf die zu einem größeren Ganzen zusammengeführten Werkstattergebnisse der SchülerInnen. Kontrastiert bzw. kombiniert werden sie mit Arien und vom Orchester gespielten Ausschnitten aus Strawinski´s Oper, zusätzlich ergänzt durch autobiografische Ton- und Filmbeiträge der am Projekt beteiligten Strafgefangenen.
„Tom Rakewell´s“ Entwicklungs- und Erfahrungswelt bzw. seine durch die musikalische Umsetzung Strawinski´s hörbar werdenden Gefühle weben sich somit in die persönliche Auseinandersetzung der jungen Menschen hinein und schenken Inspiration im Projekt „Oper zum Anfassen – Rake im Theater an der Wien“ über Selbstbestimmung und künstlerische Umsetzungen zu reflektieren.